
Als die US-Armee Pennsylvanias Kohlereviere besetzte: Ein vergessenes Kapitel amerikanischer Geschichte
Im Oktober 1862, während die Vereinigten Staaten im blutigen Bürgerkrieg versanken, erhoben sich irische Bergarbeiter in den abgelegenen Kohlegruben des westlichen Schuylkill County in Pennsylvania. Was folgte, war eine bewaffnete Rebellion gegen die erste Zwangsrekrutierung des Staates – ein Aufstand, der so bedrohlich wurde, dass Washington schließlich die US-Armee zur Besetzung der Kohleregion entsandte.
Der Funke der Rebellion
Die Bergarbeiter marschierten von Mine zu Mine durch die Townships Cass und New Castle, legten den Bergbaubetrieb lahm und zwangen Hunderte zur Arbeitsniederlegung. Mehrere hundert Männer, teilweise bewaffnet mit Pistolen und anderen Waffen, stoppten sogar einen Zug mit Armeerekruten im Dorf Tremont und befahlen ihnen, nach Hause zurückzukehren. Das Chaos, das Mitte Oktober in Schuylkill County herrschte, ließ die Alarmglocken bis nach Harrisburg und Washington schrillen.
Es war der zweite Herbst des Bürgerkriegs. Gerade einen Monat war es her, dass die Unionsarmee bei Antietam gesiegt und Präsident Abraham Lincoln daraufhin seine vorläufige Emanzipationsproklamation erlassen hatte. Doch der Krieg lief alles andere als gut für die Union. Der Sommer 1862 hatte eine Serie von Niederlagen in Virginia gebracht, gefolgt von konföderierten Invasionen in die Grenzstaaten Kentucky und Maryland.
Die Wut der irischen Arbeiterklasse
Die irische Bevölkerung im westlichen Schuylkill County hatte viele Gründe für ihren Zorn. In der Hierarchie der Anthrazit-Kohlefelder wurden sie systematisch auf die gefährlichsten und schlechtesten Arbeitsplätze abgeschoben. Sie hausten in winzigen Dörfern und armseligen Siedlungen rund um die Bergwerke, lebten unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen, erhielten Hungerlöhne und waren in firmeneigenen Unterkünften untergebracht, die kaum für Menschen geeignet waren.
"Wir können dem Präsidenten der Vereinigten Staaten und seinen abolitionistischen Beratern sagen, dass sie ihre Neger aus den Kohleregionen fernhalten müssen, es sei denn, sie wollen einen Krieg im Norden anzetteln. Die Menschen in diesem Teil des Staates werden nicht zulassen, dass befreite Sklaven in Konkurrenz zur weißen Arbeit treten."
So schrieb die Zeitung Pottsville Standard im Herbst 1862 und spiegelte damit die aufgeheizte Stimmung wider. Die Angst vor dem Ersatz weißer Arbeiter durch befreite Sklaven – obwohl völlig unbegründet – vermischte sich mit den ersten Organisationsversuchen der Bergarbeiter zur Verbesserung ihrer katastrophalen Arbeitsbedingungen.
Die Armee marschiert ein
Die bewaffneten Märsche der Bergarbeiter von Zeche zu Zeche lösten Panik in den Regierungszentralen aus. Gouverneur Andrew Curtin telegrafierte am 23. Oktober 1862 an Kriegsminister Edwin Stanton: "Trotz der üblichen Übertreibungen halte ich die Organisation zum Widerstand gegen die Einberufung in den Bezirken Schuylkill, Luzerne und Carbon für sehr beeindruckend. Es sind mehrere Tausend unter Waffen, und die Menschen, die sich nicht anschließen wollen, wurden aus dem Bezirk vertrieben."
Stantons Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Ein Infanterieregiment und eine Artilleriebatterie wurden nach Pottsville entsandt, bereit, gegen die bewaffneten Bergarbeiter vorzugehen. Nur das beherzte Eingreifen von Bischof James Wood, der aus Philadelphia anreiste und die überwiegend katholischen Arbeiter zur Niederlegung ihrer Waffen überredete, verhinderte ein Blutbad.
Ein brüchiger Frieden
Doch der Frieden währte nicht lange. Bereits im Dezember 1862 flammten neue Streiks und Proteste auf. Am 13. Dezember streikten Hunderte von Bergleuten in der Phoenix Park Colliery westlich von Minersville und drohten den Vorgesetzten mit Gewalt und der Zerstörung der Zeche. Ein Muster, das sich fortsetzte: Die Bergarbeiter nutzten ihre Verhandlungsmacht in einer Kriegswirtschaft, die verzweifelt auf die Kohle angewiesen war, die sie aus dem Boden holten.
Militärische Besatzung als Dauerzustand
Die Lincoln-Administration griff schließlich zu drastischen Maßnahmen. In Zusammenarbeit mit lokalen und staatlichen Behörden besetzte die US-Armee Schuylkill County sowie Teile der Bezirke Carbon und Luzerne. Diese militärische Präsenz sollte sowohl den Widerstand gegen die Einberufung brechen als auch Streiks für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen unterdrücken. Dieser Zustand blieb für den Rest des Bürgerkriegs bestehen.
Nach Kriegsende suchten die Minenbetreiber und die mächtige Philadelphia and Reading Railroad nach Wegen, die militärische Kontrolle über die Arbeiterklasse aufrechtzuerhalten. 1865 und 1866 verabschiedete die Legislative von Pennsylvania Gesetze, die die Schaffung privater Polizeikräfte im Auftrag von Unternehmensinteressen erlaubten. Die ersten "Coal and Iron Police"-Einheiten wurden in Schuylkill County gebildet – private Sicherheitskräfte, die bis ins frühe 20. Jahrhundert ein mächtiger und umstrittener Teil des Lebens in der Kohleregion bleiben sollten.
Lehren aus der Geschichte
Diese Episode amerikanischer Geschichte zeigt eindrücklich, wie schnell Regierungen bereit sind, militärische Gewalt gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, wenn wirtschaftliche Interessen bedroht sind. Die Parallelen zu heutigen Entwicklungen sind unübersehbar: Auch heute sehen wir, wie Regierungen zunehmend autoritäre Maßnahmen ergreifen, wenn Bürger ihre Rechte einfordern oder sich gegen ungerechte Verhältnisse wehren.
Die Geschichte der Bergarbeiteraufstände in Pennsylvania mahnt uns, wachsam zu bleiben gegenüber staatlicher Übergriffigkeit und der unheiligen Allianz zwischen Großkonzernen und Regierungsmacht. Wenn selbst in den USA, dem vermeintlichen Land der Freiheit, die Armee gegen streikende Arbeiter eingesetzt wurde, sollte uns das zu denken geben – besonders in Zeiten, in denen unsere eigenen Regierungen immer repressiver gegen friedliche Proteste vorgehen.
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