
Amerikas Farmer am Scheideweg: Trump jongliert zwischen Verbraucherschutz und Rancherinteressen
Die amerikanische Landwirtschaft steht vor einem historischen Wendepunkt. Während Familienbetriebe in atemberaubendem Tempo verschwinden – mehr als 17 Prozent seit 2017 – und die Zahl der US-Farmen auf den niedrigsten Stand seit über einem Jahrhundert gefallen ist, versucht die Trump-Administration einen schwierigen Balanceakt zu meistern. Einerseits gilt es, die Sorgen der Verbraucher über explodierende Fleischpreise zu dämpfen, andererseits müssen die Versprechen an die ländliche Bevölkerung eingelöst werden.
Das Sterben der Familienfarmen
Was einst das Rückgrat der amerikanischen Agrarwirtschaft bildete, zerfällt zusehends. Die traditionellen Familienbetriebe, jene Bastionen amerikanischer Selbstständigkeit und Unternehmergeistes, werden von einer toxischen Mischung aus Branchenkonsolidierung, steigenden Kosten, regulatorischen Hürden und Handelsproblemen erdrückt. Im Rindfleischsektor hat eine anhaltende Schrumpfung der heimischen Herden ein zunehmend instabiles Klima geschaffen. Verarbeitungsbetriebe schließen ihre Tore, während die Preise in schwindelerregende Höhen klettern.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2024 erreichte die Anzahl der US-Farmen einen historischen Tiefstand. Eine Entwicklung, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle und gesellschaftliche Dimensionen hat. Denn mit jedem Familienbetrieb, der aufgibt, stirbt auch ein Stück amerikanischer Identität.
Trumps Reformagenda zwischen Ambition und Realität
Die Administration hat im Oktober einen umfassenden Plan vorgestellt, um die schrumpfende Rinderherde des Landes wiederherzustellen und unabhängige Rancher zu stärken. Kernpunkt ist die Ausweitung der Weideflächen auf Bundesland – eine deutliche Abkehr von der Politik der Biden-Ära. Bemerkenswert: Rund zehn Prozent der Weiderechte, etwa 24 Millionen Acres, liegen derzeit brach.
Das Landwirtschaftsministerium bestätigte im Dezember den Start eines 700-Millionen-Dollar-Pilotprogramms für regenerative Landwirtschaft. Zusätzlich kündigte die Behörde Anfang des Monats ein 12-Milliarden-Dollar-Hilfspaket für Farmer an, als Reaktion auf "vorübergehende Handelsstörungen und gestiegene Produktionskosten".
"Trump versucht gerade, viele Menschen zufriedenzustellen, und ich meine das nicht negativ. Aber er hat der ländlichen Bevölkerung versprochen, ihre Wirtschaft zu verbessern. Er hat auch den Verbrauchern versprochen, ihre Preise zu senken."
So beschreibt Patrick Robinette, ein Rinderzüchter aus North Carolina, das Dilemma der Administration.
Das Kartell der "Big Four"
Am 7. November ordnete Präsident Trump eine Untersuchung des Justizministeriums gegen "ausländische Fleischverpackungskartelle" an. Die Rede ist von den vier Giganten Cargill, Tyson Foods, JBS und National Beef, die zusammen 85 Prozent der US-Rindfleischverarbeitung kontrollieren. JBS und National Beef befinden sich mehrheitlich in brasilianischem Besitz.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Preisabsprachen, Marktmanipulation und künstliche Preisaufblähung. Jahrzehntelang habe die Branchenkonsolidierung "den Wettbewerb zerstört und die Viehzüchter niedergewalzt", so die Administration. Die Monopolmacht habe "die Zahlungen an Rancher gekürzt, die Herdengrößen reduziert, die Verbraucherpreise in die Höhe getrieben und Amerikas Lebensmittelversorgungskette bedroht".
Doch Skepsis ist angebracht. Eine ähnliche Untersuchung im Jahr 2020 verlief im Sande. Die U.S. Cattlemen's Association mahnt: "Wir fordern die Administration auf, sicherzustellen, dass diese Untersuchung zu substanziellen Maßnahmen und echten Reformen führt."
Der Handelspolitik-Spagat
Besonders brisant gestaltet sich die Handelspolitik. Im November festigte die Administration ein Abkommen mit Argentinien, das die zollbegünstigten Rindfleischimporte aus dem Land vervierfacht – auf rund 80.000 Tonnen. Ein Schritt, der bei amerikanischen Ranchern auf heftige Kritik stößt.
Die National Cattlemen's Beef Association lehnte den Schritt ab und forderte den Präsidenten auf, "die Viehmärkte arbeiten zu lassen". Trump konterte auf Truth Social, dass "der einzige Grund, warum es den Viehzüchtern zum ersten Mal seit Jahrzehnten so gut geht", seine Zölle seien.
Heather Hampton-Knodle, eine Rinderproduzentin aus Illinois, bringt die Frustration vieler auf den Punkt: "Ich bin besorgt, nicht nur für Rindfleischproduzenten, sondern für die Landwirtschaft insgesamt, dass wir weiterhin Bauern auf den Schachbrettern anderer Leute sind."
Die Preisschere zwischen Vieh und Fleisch
Vor 2020 lag das Problem darin, dass der Preis für Lebendvieh einbrach, während die Fleischpreise explodierten – zum Vorteil der Verarbeitungskonzerne. Obwohl Vieh- und Fleischpreise historisch eng zusammenhingen, begannen sie um 2015 auseinanderzudriften. Bill Bullard von R-Calf sieht darin einen Beweis für Marktversagen.
Eine Dürre ab 2020 beschleunigte den Rückgang der nationalen Herde. Beide Preise haben in den letzten Monaten Rekordhöhen erreicht. Das USDA prognostiziert, dass das knappe Angebot die Rekordpreise bis 2026 stützen wird.
Herkunftskennzeichnung als Schlüssel?
Eine Gruppe unabhängiger Viehzüchter drängt die Trump-Administration, per Exekutiverlass die verpflichtende Herkunftskennzeichnung wieder einzuführen. Robert Groom, Vorstandsmitglied der U.S. Cattlemen's Association, erklärt das Problem: Unter der aktuellen Politik kann das Herkunftsetikett entfernt und durch ein "USDA Inspected"-Label ersetzt werden, das Verbraucher fälschlicherweise für US-Herkunft halten.
"Die Nachfrage nach Rindfleisch ist seit den frühen 1990er Jahren kontinuierlich gestiegen. Dieses Signal ist nicht beim Produzenten angekommen – sie haben weit mehr Jahre Geld verloren als verdient", so Groom.
Ein fragiles Gleichgewicht
Die Situation bleibt angespannt. Während die Trump-Administration den Ranchern sagt, die Rindfleischpreise seien zu hoch, hat R-Calf die Regierung gebeten zu untersuchen, wie viel davon auf wettbewerbswidrige Praktiken der Verarbeiter und Einzelhändler zurückzuführen ist.
Robinette warnt vor einer möglichen Manipulation: "Die Big Four haben mit den Maklern zusammengearbeitet, um den Viehpreis künstlich zu erhöhen, und dann wird es eine gewisse Zeit geben, und sie werden diesen Preis zum Einsturz bringen." Der Zweck? Das Direktverkaufsmodell zu untergraben und den Markt weiter zu konsolidieren.
Die Parallelen zur deutschen Situation sind unübersehbar. Auch hierzulande kämpfen Familienbetriebe gegen die Übermacht der Konzerne, während die Politik zwischen Verbraucherinteressen und Erzeugerbelangen laviert. Der Unterschied: In Amerika scheint zumindest der politische Wille vorhanden, die Probleme anzugehen – ob erfolgreich, wird die Zeit zeigen.

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