
Göttinger Belästigungsskandal: Wenn Kuscheljustiz auf akademische Arroganz trifft
Ein Professor, der jahrelang Studentinnen belästigt, bekommt als "Strafe" eine Gehaltskürzung von 2.000 Euro monatlich für fünf Jahre. Was nach einem schlechten Scherz klingt, ist bittere Realität an der Universität Göttingen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat ein Urteil bestätigt, das einmal mehr zeigt, wie sehr unser Rechtssystem bei der Ahndung von Machtmissbrauch versagt.
Die Chronik eines angekündigten Skandals
Über Jahre hinweg nutzte der Wissenschaftler seine Position aus, um Studentinnen, Doktorandinnen und Mitarbeiterinnen zu belästigen. Grenzüberschreitende Berührungen, anzügliche Äußerungen – das volle Programm männlicher Übergriffigkeit im akademischen Elfenbeinturm. Die Frauen befanden sich in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis, ihre Karrieren hingen von seinem Wohlwollen ab. Ein Paradebeispiel dafür, wie Machtstrukturen missbraucht werden können.
Besonders pikant: Bereits 2012 und 2013 hatte die damalige Universitätspräsidentin den Professor ermahnt. Doch was passierte? Nichts. Der Mann machte einfach weiter. Eine "Pflichtenmahnung" – mehr war offenbar nicht drin. Man stelle sich vor, ein normaler Arbeitnehmer würde nach wiederholten sexuellen Belästigungen lediglich ermahnt. Undenkbar. Aber im Beamtenstatus gelten offenbar andere Regeln.
Beamtenprivilegien als Freifahrtschein?
Die Universität Göttingen wollte den Professor eigentlich entlassen. Ein nachvollziehbarer Wunsch, möchte man meinen. Doch die deutsche Justiz sah das anders. Statt einer Entlassung gibt es nun eine Gehaltskürzung. Der Mann behält seinen Beamtenstatus, seine Pension, seine Privilegien. Die Botschaft an alle Täter im Universitätsbetrieb könnte klarer nicht sein: Macht euch keine Sorgen, das System schützt euch.
"Wir sehen uns dennoch in unserem konsequenten Vorgehen gegen sexualisierte Belästigung und Gewalt bestätigt", teilte die Universität mit.
Man möchte fast lachen über diese Realitätsverweigerung. Bestätigt? In was denn bitte? Darin, dass man als Institution machtlos ist gegen einen übergriffigen Professor? Dass Hausverbote und Arbeitsverbote die einzigen Mittel sind, die bleiben?
Die wahren Opfer bleiben unsichtbar
Während sich die Gerichte Sorgen um die "Belastung" machen, die das acht Jahre dauernde Verfahren für den armen Professor bedeutet habe, bleiben die eigentlichen Opfer unsichtbar. Wie viele Karrieren wurden zerstört? Wie viele junge Frauen haben die Universität verlassen, weil sie die Übergriffe nicht mehr ertragen konnten? Diese Fragen stellt niemand.
Das Gericht berücksichtigte "mildernd", dass das Verfahren eine Belastung für den Täter darstellte. Man fasst es nicht. Ein Mann, der über Jahre hinweg seine Machtposition missbraucht hat, wird bemitleidet, weil er acht Jahre lang mit den Konsequenzen seiner Taten konfrontiert wurde. Das ist keine Justiz, das ist eine Farce.
Ein System, das versagt
Dieser Fall ist symptomatisch für ein größeres Problem. In einer Zeit, in der an jeder Ecke über Geschlechtergerechtigkeit und #MeToo diskutiert wird, zeigt die Realität ein anderes Bild. Die wahren Machtstrukturen bleiben unangetastet. Ein Professor mit Beamtenstatus ist praktisch unantastbar, egal was er tut.
Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hätte hier die Chance, ein Zeichen zu setzen. Doch stattdessen beschäftigt man sich lieber mit Klimaneutralität und Sondervermögen. Die wirklichen Probleme – der Schutz von Frauen vor Übergriffen, die Reform des Beamtenrechts – bleiben liegen.
Was bleibt, ist Resignation
Die Universität Göttingen hat angekündigt, das Urteil "respektvoll aber mit Enttäuschung" zur Kenntnis zu nehmen. Respektvoll? Gegenüber wem? Gegenüber einem Gericht, das Täter schützt? Gegenüber einem System, das Opfer im Stich lässt?
Ob der Professor jemals wieder an der Universität arbeiten wird, bleibt offen. Die Universität schweigt zu Details der Umsetzung. Man kann es ihnen nicht verdenken. Was soll man auch sagen, wenn die eigenen Hände so offensichtlich gebunden sind?
Dieser Fall zeigt einmal mehr: Wir brauchen dringend eine Reform des Beamtenrechts. Wir brauchen Politiker, die den Mut haben, heilige Kühe zu schlachten. Und wir brauchen eine Justiz, die Opferschutz über Täterschutz stellt. Bis dahin werden Fälle wie dieser die traurige Normalität bleiben – zum Schaden aller Frauen, die sich in Abhängigkeitsverhältnissen befinden und auf den Schutz des Rechtsstaats angewiesen sind.
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