
Richterbund entdeckt plötzlich Reformbedarf – ausgerechnet jetzt
Jahrzehntelang war die Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwaltschaften kein Thema, das die etablierten Kräfte in Aufruhr versetzte. Doch nun, da die AfD in Umfragen triumphiert und in mehreren Bundesländern auf dem Weg zur stärksten Kraft ist, erwacht der Deutsche Richterbund aus seinem Dornröschenschlaf. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn fordert die sofortige Abschaffung des Weisungsrechts der Justizministerien gegenüber den Staatsanwaltschaften. Die Begründung? Man müsse den Rechtsstaat vor „antiliberalen Kräften" schützen.
Ein Demokratiedefizit, das plötzlich stört
Die Ironie dieser Forderung könnte kaum größer sein. Deutschland gilt im europäischen Vergleich tatsächlich als Sonderfall, weil Staatsanwaltschaften der Fach- und Dienstaufsicht der Justizministerien unterstehen. Der Europäische Gerichtshof hat deutschen Staatsanwaltschaften bereits 2019 die Eigenschaft als „ausstellende Justizbehörde" beim Europäischen Haftbefehl abgesprochen – eben weil eine hinreichende Unabhängigkeit von der Exekutive nicht gewährleistet sei. Ein Armutszeugnis für eine Nation, die sich gerne als Hüterin der Rechtsstaatlichkeit inszeniert.
Doch wo war der Richterbund all die Jahre, als dieses strukturelle Problem längst bekannt war? Wo waren die mahnenden Stimmen, als Kritiker auf die problematische Verflechtung von Politik und Justiz hinwiesen? Die Antwort liegt auf der Hand: Solange die eigenen Leute am Drücker saßen, störte niemanden die mangelnde Gewaltenteilung.
Die Angst vor dem Machtverlust
Rebehn macht aus seiner Motivation keinen Hehl. Er verweist explizit auf die hohen Umfragewerte der AfD und warnt davor, dass ein „politisches Weisungsrecht für Strafverfahren in den falschen Händen fatal" wäre. Damit gibt er unfreiwillig zu, dass dieses Instrument bisher durchaus in bestimmten Händen lag – offenbar in den „richtigen". Die Frage, ob das Weisungsrecht bereits jetzt parteipolitisch instrumentalisiert wird, beantwortet sich damit von selbst.
„Damit die Strafverfolgung nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden könne"
Diese Formulierung ist entlarvend. Sie impliziert, dass eine solche Instrumentalisierung bisher nicht stattgefunden habe oder zumindest akzeptabel gewesen sei. Erst wenn die „falschen" Kräfte an die Macht kommen könnten, wird plötzlich Handlungsbedarf erkannt. Das Verwaltungsgericht Dresden rügte erst kürzlich die dortige Staatsanwaltschaft wegen einer „einseitigen Berücksichtigung der Interessen" des früheren Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. Ein Einzelfall? Wohl kaum.
Der Ersatzwahlmechanismus als Demokratie-Bypass
Besonders aufschlussreich ist Rebehns zweite Forderung. Da die AfD in einigen Ländern so stark ist, dass die für Richterernennungen erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheiten künftig womöglich nicht mehr zustande kommen, sollen neue Verfahren für solche „Blockadesituationen" entwickelt werden. Ein externes Auswahlgremium solle Kandidaten vorschlagen, über deren Berufung das Parlament dann mit absoluter Mehrheit entscheiden könne.
Was hier als technische Lösung verkauft wird, ist nichts anderes als der Versuch, demokratische Mehrheitsverhältnisse zu umgehen. Wenn eine Partei stark genug ist, um Entscheidungen zu blockieren, dann ist das kein Systemfehler – es ist Demokratie. Die Zwei-Drittel-Mehrheit existiert nicht ohne Grund: Sie soll sicherstellen, dass wichtige Personalentscheidungen auf breiter Basis getroffen werden.
Ein Offenbarungseid der etablierten Kräfte
Diese Entwicklung offenbart das wahre Demokratieverständnis mancher Akteure. Demokratie ist für sie offenbar nur dann akzeptabel, wenn sie die gewünschten Ergebnisse liefert. Sobald der Wähler anders entscheidet, werden die Spielregeln geändert. Man könnte fast meinen, die jahrzehntelange Kritik an der mangelnden Gewaltenteilung in Deutschland sei berechtigt gewesen – nur dass sie erst jetzt, unter dem Druck veränderter Mehrheitsverhältnisse, Gehör findet.
Die AfD fordert seit Jahren die Unabhängigkeit der Justiz von der Regierung. Dass ausgerechnet diese Forderung nun von jenen aufgegriffen wird, die die Partei als Gefahr für den Rechtsstaat brandmarken, ist eine Pointe, die sich kein Satiriker hätte ausdenken können. Die Botschaft ist klar: Was wir tun, ist legitim; was ihr tun könntet, wäre Missbrauch.
Für den deutschen Bürger bleibt die bittere Erkenntnis, dass echte Reformen in diesem Land offenbar nur dann möglich sind, wenn die Machthaber um ihre Pfründe fürchten. Die Gewaltenteilung, ein Grundpfeiler jeder funktionierenden Demokratie, wurde jahrzehntelang stiefmütterlich behandelt. Dass sie nun ausgerechnet als Schutzschild gegen demokratisch legitimierte Veränderungen herhalten soll, ist ein Treppenwitz der Geschichte.

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