
Dänemarks späte Reue: Wenn Entschuldigungen nach Jahrzehnten des Schweigens kommen
Es ist schon bemerkenswert, wie plötzlich das schlechte Gewissen erwacht, wenn der Druck von außen steigt. Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen reist nach Grönland, um sich persönlich bei den Opfern eines staatlichen Zwangsverhütungsprogramms zu entschuldigen. Ein Programm, das über drei Jahrzehnte lang systematisch die Rechte tausender Inuit-Frauen mit Füßen trat.
Ein "düsteres Kapitel" wird aufgeschlagen - aber warum erst jetzt?
Zwischen 1960 und 1992 setzten dänische Behörden etwa 4.500 einheimischen Inuit-Frauen zwangsweise Verhütungsspiralen ein. Das entsprach der Hälfte aller gebärfähigen Frauen Grönlands zu dieser Zeit. Viele blieben dauerhaft unfruchtbar, fast alle trugen körperliche und psychische Schäden davon. Das erklärte Ziel dieser barbarischen Maßnahme: Die Geburtenrate der indigenen Bevölkerung zu senken.
Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ein europäischer Staat führte bis in die 1990er Jahre hinein ein Programm durch, das in seiner Systematik und Menschenverachtung an die dunkelsten Kapitel der Geschichte erinnert. Und erst jetzt, über 30 Jahre nach dem Ende dieser Praktiken, ringt sich die dänische Regierung zu einer offiziellen Entschuldigung durch.
Der wahre Grund für Dänemarks plötzliche Einsicht
Die grönländische Abgeordnete Aaja Chemnitz bringt es auf den Punkt: Es sei der Druck von außen, insbesondere aus den Vereinigten Staaten unter Präsident Trump, der Dänemark dazu zwinge, seine Bemühungen zu verstärken. Trump hatte bekanntlich Interesse an Grönland bekundet und damit die geopolitische Bedeutung der Insel wieder ins Bewusstsein gerückt.
"Ich bin seit zehn Jahren Abgeordnete und habe bis jetzt noch nie so viel Engagement gesehen", so Chemnitz.
Es ist schon erstaunlich, wie schnell moralische Einsicht kommt, wenn strategische Interessen auf dem Spiel stehen. Jahrzehntelang zeigten sich dänische Ministerpräsidenten "äußerst zurückhaltend", wenn es darum ging, in Grönland begangene Ungerechtigkeiten anzuerkennen, wie die Historikerin Astrid Andersen bestätigt.
Mehr als nur Zwangsverhütung - ein System der Unterdrückung
Das Zwangsverhütungsprogramm war nur die Spitze des Eisbergs. Kinder aus Grönland wurden nach Dänemark verschleppt und dort zur Adoption freigegeben. Ein ganzes System der kulturellen Auslöschung und Bevormundung, das erst 2009 mit der weitreichenden politischen Autonomie Grönlands ein Ende fand.
Frederiksen kündigte nun die Einrichtung eines Versöhnungsfonds an. Geld soll also richten, was Jahrzehnte systematischer Menschenrechtsverletzungen angerichtet haben. Etwa 150 betroffene Frauen haben den dänischen Staat verklagt - der Prozess steht noch aus.
Die Lehren für heute
Diese Geschichte sollte uns eine Mahnung sein. Wenn Staaten glauben, über das Schicksal von Minderheiten bestimmen zu können, wenn sie meinen, die Fortpflanzung ganzer Bevölkerungsgruppen kontrollieren zu müssen, dann führt das unweigerlich zu Unrecht und Leid. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, dass Nationen ihre Souveränität und Selbstbestimmung wahren können.
Die späte Entschuldigung Dänemarks mag ein wichtiger Schritt sein, aber sie kann das erlittene Unrecht nicht ungeschehen machen. Sie zeigt vielmehr, dass wahre Verantwortungsübernahme oft erst dann kommt, wenn der politische Druck zu groß wird. Ein Armutszeugnis für ein Land, das sich gerne als Vorreiter in Sachen Menschenrechte präsentiert.
In einer Zeit, in der überall von Diversität und Inklusion gesprochen wird, sollten wir nicht vergessen, dass noch vor wenigen Jahrzehnten europäische Staaten Programme durchführten, die heute zu Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet würden. Die Geschichte Grönlands mahnt uns, wachsam zu bleiben gegenüber staatlicher Übergriffigkeit - egal unter welchem Deckmantel sie daherkommt.
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