
Mallorcas Gastro-Krise: Wenn der Wohlstand zur Falle wird
Die Baleareninsel, einst das goldene Kalb des deutschen Massentourismus, erlebt gerade ihre selbstgemachte Götterdämmerung. Hunderte Restaurants stehen vor dem Aus, weil die Gäste ausbleiben – oder besser gesagt: weil sie sich das Essengehen schlichtweg nicht mehr leisten können. Was für eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet jene Branche, die jahrzehntelang von deutschen Urlaubern lebte, nun über deren angebliche Knausrigkeit jammert.
Die Rechnung ohne den Wirt gemacht
Juanmi Ferrer, seines Zeichens Präsident des Gastro-Unternehmerverbands CAEB Restauración, schlägt Alarm: Der Sommer sei "miserabel", Hunderte von Restaurants würden schließen. Die Besucherzahlen seien um fünf bis sechs Prozent zurückgegangen, in manchen Touristenorten gar um bis zu 40 Prozent. Doch bevor hier das große Wehklagen beginnt, sollte man sich die Frage stellen: Wer hat denn die Preise in astronomische Höhen getrieben?
Ein halber Liter Bier für 7,20 Euro, ein Hamburger für 29 Euro – das sind keine Fantasiezahlen, sondern bittere Realität in manch mallorquinischem Lokal. Da verwundert es kaum, dass die Urlauber zu "Bocadillo-Touristen" mutieren, wie Ferrer sie despektierlich nennt. Menschen also, die sich lieber mit selbst mitgebrachten Brötchen versorgen, statt sich in der Gastronomie ausnehmen zu lassen wie eine Weihnachtsgans.
Wenn Gier auf Realität trifft
Die Klagen der Gastronomen über gestiegene Kosten – höhere Mieten, teurere Lebensmittel, neue Tarifverträge – mögen berechtigt sein. Doch wer jahrelang die Preise schneller erhöht hat als die EZB die Geldmenge, darf sich nicht wundern, wenn die Gäste irgendwann die Notbremse ziehen. Die deutschen Urlauber, oft als wandelnde Geldautomaten betrachtet, haben offenbar begriffen, dass man sie nur noch als "dumme Kuh zum Melken" sieht, wie es eine Leserin treffend formulierte.
Besonders pikant wird die Situation, wenn man bedenkt, dass noch vor wenigen Monaten Tausende Mallorquiner gegen den Massentourismus auf die Straße gingen. "Tourists go home" war der Schlachtruf, begleitet von ekelhaften Schmierereien an Hauswänden. Nun, da die Touristen tatsächlich wegbleiben oder zumindest ihr Geld zusammenhalten, ist das Geschrei groß.
Die Quittung für falsche Politik
Was wir hier erleben, ist das klassische Dilemma einer Gesellschaft, die den Ast absägt, auf dem sie sitzt. Jahrzehntelang hat man vom Tourismus profitiert, sich einen Wohlstand erarbeitet, der ohne die verhassten "Guiris" niemals möglich gewesen wäre. Gleichzeitig wurde die eigene Bevölkerung durch explodierende Immobilienpreise aus den Städten gedrängt – ein Problem, das man lieber den Touristen in die Schuhe schob, statt die eigene verfehlte Wohnungspolitik zu hinterfragen.
Die mallorquinische Gastronomie steht nun vor einer schmerzhaften Umstrukturierung. Ferrer prophezeit, dass vor allem Lokale im unteren Preissegment überleben werden. Eine späte Einsicht, dass nicht jeder Tourist bereit ist, Mondpreise für mittelmäßige Qualität zu zahlen. Der oft beklagte "unterirdische Service" – unfreundlich, launisch, langsam – tut sein Übriges.
Ein Blick in den Spiegel täte gut
Statt über ausbleibende Gäste zu lamentieren, sollte die Branche vielleicht einmal in sich gehen. Wer seine Stammkundschaft – und nichts anderes sind die deutschen Urlauber für Mallorca – erst vergrault und dann über leere Kassen jammert, hat die Grundregeln der Marktwirtschaft nicht verstanden. Die Touristen stimmen mit den Füßen ab, und sie tun es zu Recht.
Die Tragik liegt darin, dass viele kleine Gastronomen, die ehrlich und fair kalkuliert haben, nun mit in den Abgrund gerissen werden. Sie zahlen den Preis für die Gier einiger schwarzer Schafe und für eine verfehlte Anti-Tourismus-Stimmung, die von bestimmten politischen Kreisen geschürt wurde. Wenn selbst in der Hochsaison im Juli Restaurants ihren Mitarbeitern Urlaub gewähren müssen, weil keine Gäste kommen, dann ist das mehr als nur eine Delle – es ist ein Alarmsignal.
Mallorca muss sich entscheiden: Will man weiterhin vom Tourismus leben oder lieber in romantischer Armut versinken? Die Realität wird zeigen, dass man ohne die verachteten Urlauber sehr schnell sehr arm wird. Denn eines ist sicher: Die Touristen haben Alternativen – Mallorca nicht.
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