
Militäreinsatz in Los Angeles: Wenn Marines plötzlich Zivilisten verhaften
Was sich derzeit in den Straßen von Los Angeles abspielt, erinnert mehr an einen dystopischen Hollywoodfilm als an die Realität einer amerikanischen Großstadt. US-Marineinfanteristen, eigentlich für Auslandseinsätze ausgebildet, patrouillieren durch die Metropole und nehmen Zivilisten fest. Der erste dokumentierte Fall ereignete sich am Freitag vor einem Bundesgebäude – ein 27-jähriger Veteran wurde von Marines in Gewahrsam genommen, mit Kabelbindern gefesselt und an Beamte des Heimatschutzministeriums übergeben.
Die Bilder, die Reuters von diesem Vorfall veröffentlichte, werfen fundamentale Fragen über die Grenzen staatlicher Macht auf. Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit, wohin eine Politik führen kann, die innere Sicherheit über verfassungsrechtliche Bedenken stellt. Der festgenommene Mann, ein ehemaliger Soldat angolanischer und portugiesischer Abstammung, hatte lediglich eine Absperrung überquert, als er zu einem Termin beim Veteranenministerium unterwegs war.
Rechtliche Grauzonen und historische Präzedenzfälle
Die juristische Grundlage für diesen Militäreinsatz im Inland ist bestenfalls wackelig. Der Posse Comitatus Act von 1878 verbietet eigentlich explizit den Einsatz des US-Militärs zur Durchsetzung ziviler Gesetze. Doch die Trump-Administration nutzt eine Hintertür: Die Truppen sollen angeblich nur Bundesgebäude und -beamte schützen. Was in der Praxis bedeutet, dass sie auch die umstrittenen Razzien der Einwanderungsbehörde ICE begleiten könnten.
Ein Sprecher des Northern Command rechtfertigte die Festnahme mit dem Hinweis, dass aktive US-Streitkräfte „unter bestimmten Umständen" Personen vorübergehend festnehmen könnten. Diese schwammige Formulierung öffnet Tür und Tor für willkürliche Interpretationen. Wo genau die Grenze zwischen „Schutz von Bundeseigentum" und aktiver Strafverfolgung verläuft, bleibt bewusst im Unklaren.
Die schleichende Militarisierung der Innenpolitik
Derzeit sind bereits 200 Marinesoldaten und über 2000 Nationalgardisten in Los Angeles stationiert. Weitere 500 Marines und 2000 Gardisten sollen folgen. Diese massive Militärpräsenz in einer amerikanischen Großstadt ist historisch nahezu beispiellos. Die letzte vergleichbare Situation ereignete sich 1992, als Präsident George H.W. Bush nach den Rodney-King-Unruhen Truppen entsandte – allerdings auf ausdrückliche Bitte des kalifornischen Gouverneurs.
Noch beunruhigender ist die Möglichkeit, dass Trump den Insurrection Act von 1792 aktivieren könnte. Dieses Gesetz würde dem Militär weitreichende Befugnisse zur direkten Strafverfolgung einräumen. Historisch wurde es nur in extremen Krisensituationen angewandt: während der Whiskey-Rebellion 1794 oder gegen den Ku-Klux-Klan nach dem Bürgerkrieg. Dass eine solche Maßnahme heute überhaupt in Erwägung gezogen wird, zeigt, wie weit sich die politische Landschaft verschoben hat.
Ein Veteran als erstes Opfer – die bittere Ironie
Die Ironie des Schicksals wollte es, dass ausgerechnet ein Veteran der US-Armee zum ersten dokumentierten „Opfer" dieser Militäraktion wurde. Der Mann, der einst selbst in Uniform seinem Land diente, fand sich plötzlich in Kabelbindern gefesselt wieder – festgenommen von aktiven Soldaten auf amerikanischem Boden. Seine Reaktion, die Marines hätten „nur ihren Job" gemacht und ihn fair behandelt, klingt fast wie Stockholm-Syndrom.
Was hier geschieht, ist nichts weniger als ein Dammbruch. Wenn Marines beginnen, Zivilisten auf amerikanischen Straßen festzunehmen – und sei es auch nur vorübergehend –, dann überschreiten wir eine rote Linie, die aus gutem Grund seit über 140 Jahren bestand. Die Trennung zwischen Militär und ziviler Strafverfolgung ist ein Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften.
Die Normalisierung des Ausnahmezustands
Besonders besorgniserregend ist die schleichende Normalisierung solcher Zustände. Was heute noch Schlagzeilen macht, könnte morgen schon zur neuen Normalität gehören. Die Begründung, man müsse Bundesgebäude und -beamte schützen, lässt sich beliebig dehnen und auf nahezu jede Situation anwenden. Wer definiert, was eine Bedrohung darstellt? Wer entscheidet, wann militärisches Eingreifen gerechtfertigt ist?
Die Entwicklungen in Los Angeles sollten jeden nachdenklich stimmen, dem noch etwas an rechtsstaatlichen Prinzipien liegt. Hier wird unter dem Deckmantel der Sicherheit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Wenn wir akzeptieren, dass Marines auf amerikanischen Straßen patrouillieren und Zivilisten festnehmen, dann haben wir einen entscheidenden Schritt in Richtung Militärstaat getan – einen Schritt, der sich nur schwer wieder rückgängig machen lässt.
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