
Parteienklüngel bei Richterwahlen: Wenn die Justiz zum Spielball der Politik wird
Die deutsche Justiz, einst Hort der Unabhängigkeit und Garant des Rechtsstaats, verkommt zusehends zum verlängerten Arm parteipolitischer Machtspiele. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, legt nun schonungslos den Finger in die Wunde eines Systems, das sich die etablierten Parteien wie einen Kuchen aufteilen – ohne jede gesetzliche Grundlage, versteht sich.
Die Erbhöfe der Parteien
Was Papier in der "Rheinischen Post" offenlegt, sollte jeden Bürger alarmieren: Seit Jahrzehnten haben sich CDU/CSU und SPD in trauter Zweisamkeit sogenannte "Vorschlagsrechte" für Verfassungsrichter zugeschanzt. Ein Gentlemen's Agreement unter Parteifreunden, das später großzügig mit FDP und Grünen geteilt wurde. Man könnte es auch anders nennen: institutionalisierte Vetternwirtschaft auf höchster Ebene.
Die Dreistigkeit dieses Vorgehens kann kaum überboten werden. Ohne auch nur den Hauch einer rechtlichen Legitimation haben sich die Altparteien ein System geschaffen, in dem Richterposten wie Pfründe verteilt werden. Papiers Wortwahl ist dabei bemerkenswert deutlich: Er spricht von "Erbhöfen" – ein Begriff, der normalerweise feudalen Strukturen vorbehalten ist. Doch genau das scheint unsere moderne Demokratie geworden zu sein: Ein Feudalsystem im demokratischen Gewand.
Die Fragmentierung der Parteienlandschaft
Besonders pikant wird die Situation angesichts der veränderten politischen Realitäten. Die einstige Dominanz der "Volksparteien" ist Geschichte. Der Bundestag präsentiert sich heute als buntes Mosaik unterschiedlichster politischer Strömungen. Doch die Verteilung der Richterposten folgt weiterhin den verstaubten Regeln einer vergangenen Ära. Es ist, als würde man im Zeitalter der Elektromobilität noch immer Pferdekutschen-Verordnungen anwenden.
"Die starre Verteilung von überkommenen Vorschlagsrechten an etablierte Parteien kann so nicht aufrechterhalten werden", mahnt Papier eindringlich.
Diese Warnung kommt nicht von ungefähr. Das "parteipolitische Gezänk", das Papier befürchtet, ist längst Realität geworden. Die Besetzung von Verfassungsrichterposten gleicht mittlerweile einem unwürdigen Schauspiel, bei dem es mehr um Parteiproporz als um juristische Kompetenz geht.
Ein Reformvorschlag mit Sprengkraft
Papiers Lösungsansatz klingt auf den ersten Blick vernünftig: Der Wahlausschuss des Bundestages solle in vertraulichen Beratungen Kandidaten auswählen, ohne den "Stempel eines formellen Parteikandidaten". Doch wer glaubt ernsthaft daran, dass Parteipolitiker plötzlich ihre Parteibrille ablegen würden, nur weil die Türen geschlossen sind?
Die Realität zeigt uns täglich, wie tief die parteipolitische Durchdringung unserer Institutionen bereits fortgeschritten ist. Von der öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft bis zu den Verwaltungsgerichten – überall finden sich die Spuren parteipolitischer Einflussnahme. Warum sollte es ausgerechnet beim höchsten deutschen Gericht anders sein?
Die Erosion des Vertrauens
Was Papier nur andeutet, muss deutlich ausgesprochen werden: Das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit der Justiz schwindet rapide. Wenn Richterposten nach Parteibuch vergeben werden, wenn juristische Entscheidungen den Anschein politischer Gefälligkeit erwecken, dann steht die Legitimität des gesamten Rechtssystems auf dem Spiel.
Die neue Große Koalition unter Friedrich Merz hätte die historische Chance, mit diesem unwürdigen System zu brechen. Doch die bisherigen Signale stimmen wenig optimistisch. Zu verlockend scheint die Aussicht, die eigenen Leute in Schlüsselpositionen zu hieven. Zu groß die Versuchung, die Justiz als verlängerten Arm der eigenen Politik zu instrumentalisieren.
Ein Blick über den Tellerrand
Während in Deutschland über Parteiproporz gestritten wird, zeigen andere Länder, dass es auch anders geht. In der Schweiz etwa werden Bundesrichter zwar ebenfalls nach Parteiproporz gewählt, doch die dortige politische Kultur sorgt für eine weitgehend unabhängige Rechtsprechung. Der Unterschied? Eine tief verwurzelte Tradition der Gewaltenteilung und des Respekts vor der richterlichen Unabhängigkeit.
In Deutschland hingegen scheint diese Tradition zusehends zu erodieren. Die Grenzen zwischen Legislative, Exekutive und Judikative verschwimmen. Richter werden zu Erfüllungsgehilfen politischer Agenden degradiert, während Politiker sich als Hüter der Verfassung aufspielen.
Die Konsequenzen dieser Entwicklung sind fatal: Ein politisiertes Verfassungsgericht verliert seine Funktion als neutraler Schiedsrichter. Es wird zum Spielball parteipolitischer Interessen, unfähig, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen – den Schutz der Verfassung vor politischen Übergriffen.
Papiers Kritik ist mehr als nur die Meinung eines Elder Statesman der deutschen Justiz. Sie ist ein Weckruf an alle, denen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung am Herzen liegt. Die Frage ist nur: Wer hört noch zu in einem System, das sich längst in seinen eigenen Machtstrukturen verfangen hat?

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