
Corona-Aufarbeitung ohne Praktiker: Ein Armutszeugnis für die Politik
Die erste Anhörung der Corona-Enquetekommission im Bundestag offenbart bereits jetzt ein fundamentales Problem: Diejenigen, die während der Pandemie an vorderster Front standen und täglich mit den Auswirkungen der politischen Entscheidungen konfrontiert waren, bleiben außen vor. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, bringt es auf den Punkt: Kein einziger niedergelassener Arzt sitzt in diesem Gremium.
Theoretiker unter sich
Was soll man von einer Aufarbeitung erwarten, die ohne praktische Expertise stattfindet? Es ist, als würde man eine Unfallanalyse ohne die Beteiligung der Rettungskräfte durchführen. Die 14 Abgeordneten und 14 externen Sachverständigen mögen ihre Qualifikationen haben, doch fehlt ihnen die entscheidende Perspektive: die Erfahrung aus der täglichen Patientenversorgung während der Krise.
Gassen mahnt zu Recht, dass eine umfassende Aufarbeitung "sowohl aus wissenschaftlicher, aber vor allem aus rechtlicher und politischer Sicht dringend erforderlich" sei. Doch wie soll diese gelingen, wenn ausgerechnet jene fehlen, die hautnah miterlebt haben, welche Maßnahmen in der Praxis funktionierten und welche sich als kontraproduktiv erwiesen?
Die nächste Pandemie kommt bestimmt
Der KBV-Chef warnt eindringlich: Es sei "möglicherweise nur eine Frage der Zeit" bis zur nächsten Pandemie. Diese Warnung sollte die Politik aufrütteln. Stattdessen inszeniert man eine Kommission, die mehr nach politischem Schauspiel als nach ernsthafter Aufarbeitung aussieht. Zwei Jahre soll das Gremium tagen, bis 2027 soll der Abschlussbericht vorliegen. Zwei Jahre, in denen möglicherweise die wichtigsten Stimmen ungehört bleiben.
"Falsch ist es jedoch, dass dieser Kommission niemand angehört, der praktisch in der Patientenversorgung arbeitet"
Diese Kritik Gassens trifft ins Schwarze. Es zeigt sich einmal mehr, wie abgehoben die politische Klasse agiert. Man berät über die Köpfe derjenigen hinweg, die die Suppe auslöffeln mussten, die ihnen die Politik eingebrockt hatte.
Lehren ohne Lehrer
Die Forderung, es dürfe nicht um Schuldzuweisungen gehen, sondern um die Frage, was gut gelaufen sei und welche Maßnahmen sich als falsch erwiesen hätten, klingt vernünftig. Doch wie will man diese Fragen beantworten, wenn die praktischen Erfahrungsträger fehlen? Wer kann besser beurteilen, ob Maskenpflichten, Lockdowns oder Impfstrategien sinnvoll waren, als die Ärzte, die täglich mit den Folgen konfrontiert waren?
Die Zusammensetzung der Kommission wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand unserer politischen Kultur. Man bevorzugt theoretische Expertise gegenüber praktischer Erfahrung, akademische Titel gegenüber Alltagswissen. Diese Arroganz der Politik hat sich bereits während der Pandemie gezeigt, als Entscheidungen oft ohne Rücksprache mit den Praktikern getroffen wurden.
Ein verpasste Chance
Die Corona-Enquetekommission hätte die Chance sein können, endlich eine ehrliche und umfassende Aufarbeitung zu beginnen. Stattdessen droht sie zu einer weiteren Farce zu werden, bei der sich Politiker und handverlesene Experten gegenseitig auf die Schulter klopfen, während die wahren Helden der Pandemie – die niedergelassenen Ärzte, Pflegekräfte und medizinischen Praktiker – weiterhin ignoriert werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Kommission noch zur Vernunft kommt und zumindest in den Anhörungen verstärkt auf die Stimmen aus der Praxis hört. Andernfalls wird ihr Abschlussbericht 2027 nicht mehr wert sein als das Papier, auf dem er gedruckt wird. Deutschland braucht keine weiteren theoretischen Abhandlungen, sondern praktische Lehren für die Zukunft. Doch dafür müsste man erst einmal diejenigen fragen, die wissen, wovon sie sprechen.

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